AGNI  YOGA  WEB  TV

 

 

SENDEREIHE

 

„DIE  10  GRUNDPFEILER  DER  PRAXIS  DES  AGNI  YOGA“

 

 

9. Pfeiler : Dienst am Nächsten

 

 

Liebe Agni Yogis,

 

wie alle Religionen fordert auch Agni Yoga uns auf: Hilf einem Mitmenschen, der sich in Not befindet – Deinem Nächsten, wie die Bibel sagt!

 

Das Ziel und der Sinn des Daseins liegen darin, über die Grenzen des Bekannten hinaus nach oben zu streben und einander zu helfen. (BGM II, 160)

 

Wer einen Hungrigen davonjagt, gleicht fast einem Mörder. Es kommt selten vor, dass im Haus kein Stück Brot wäre. (Br I, 284)

 

Schwebe nicht nur in der Meditation in den höheren Sphären. Suche auch die Abgründe des irdischen Lebens auf und wirke dort für Besserung!

 

Lasst uns vom Tempel in den Keller gehen. Wir wollen nicht nur den Höhenflug, sondern auch das Mitgefühl in uns verankern. (AUM 556)

 

Die Neue Welt, die wir errichten wollen, steht nicht nur der Elite einiger weniger Auserwählter offen. Sie soll gerade auch den Armen, Kranken, Schwachen und Leidenden ein besseres Leben ermöglichen.

 

Ich fühle es, der menschliche Geist erhebt sich, doch nehmt auch die Unglücklichsten mit: „Kommt herbei ihr Nackten, wir werden euch bekleiden; kommt herbei ihr Kleinen, wir werden euch großziehen; kommt herbei ihr Stummen, wir verleihen euch Sprache; kommt herbei ihr Blinden, denn bei uns erblickt ihr das vorherbestimmte Reich.“ (BGM II, 146)

 

Neben Verbindung mit der höheren Welt oder Meditation, Dienst am Allgemeinwohl und Ausbildung oder Selbstvervollkommnung ist der Dienst am Nächsten ist der zweite der vier Lebenskreise. Die Aufgaben auf diesem Gebiet sind individuell sehr verschieden: Der eine findet hier ein großes, der andere ein kleines, ein dritter vielleicht fast gar kein Tätigkeitsfeld.

 

Der eine, oft eine Frau, ist unablässig mit der Sorge um seine nähere Umgebung beschäftigt. Ein anderer, typischerweise ein Mann, befasst sich mehr mit den Aufgaben des 8. Pfeilers „Dienst am Allgemeinwohl“. Im Idealfall verbinden wir beides und räumen einem jeden seinen angemessenen Platz ein.

 

 

1. Wer ist mein Nächster?

Rembrandt „Der barmherzige Samariter“

 

Der Schüler fragt: „Wer ist mein Nächster? Wem soll ich helfen?“  

 

Den Nächsten, um den Du Dich kümmern sollst, magst Du im Kreis der Familie, unter Freunden, Verwandten, Bekannten, Arbeitskollegen und Nachbarn, aber auch vollkommen Fremden finden.

 

Auf die Frage „Wer ist mein Nächster?“ antwortet immer noch am besten das unsterbliche Gleichnis vom barmherzigen Samariter (Luk 10, 25).

 

Jesus erzählt von einem Menschen, der auf der Straße unter die Räuber gefallen und halb tot liegen gelassen worden war. Mehrere Passanten, darunter ein Priester, gingen vorüber und kümmerten sich nicht um ihn. Ein Samariter aber, ein von den Juden verachteter Fremdling, versorgte seine Wunden und gab ihn in der nächsten Herberge in Pflege. (Rembrandt „Der barmherzige Samariter“)

 

Das bedeutet: Das Leben selbst stellt uns vor Situationen, die uns gebieterisch auffordern, zu helfen. Wir müssen diese Zeichen feinfühlig erkennen und dürfen unser Herz nicht vor dem Ruf verschließen, der an uns ergeht.

 

Die Menschen gehen selten an einem Hilferuf vorüber, ohne dass ihr Herz erbebte. Ein rohes Herz wird vielleicht keine Hilfe leisten, es wird aber dennoch erschüttert sein. (Br I, 168)

 

Das Gleichnis sagt uns weiter: Wir sollen Hilfe leisten ohne Ansehen der Person. Wo immer Not herrscht, müssen wir sie lindern.

 

Man muss immer und in allem helfen. Es ist menschenunwürdig, wegen politischer oder nationaler Unterscheidung, wegen der Stammeszugehörigkeit oder wegen des Glaubens Hilfe zu verweigern. Hilfe sollte nach der Art der Bedürfnisse gewährt werden. Wenn Gefahr droht, darf nicht die Haarfarbe geprüft werden. Wenn es notwendig ist, jemanden vor einer Feuersbrunst zu retten, sollte man nicht nach seiner Religion fragen. (AUM 452)

 

Du begegnest heute pro Wegstrecke fünf Bettlern; Hilfsorganisationen aller Art klingeln an Deiner Haustür oder schreiben Bittbriefe; das Fernsehen strahlt täglich Bilder der Not von Haiti über Afrika bis Bangladesch direkt in Dein Wohnzimmer. In einer solchen Zeit ist es besonders schwer zu entscheiden, wer Dein Nächster ist und wem Du was geben solltest.

 

Normalerweise liegt Deine Lebensaufgabe nicht in fernen, fremden Weltregionen. Vorrangig sollst Du in Deiner näheren Umgebung, in den Verhältnissen helfen, in die Karma Dich gestellt hat.

 

 

2. Grenzen der Hilfeleistung

 

Wenn wir genauer hinsehen, stellen wir fest: Die Verpflichtung, Deinem Nächsten zu dienen, ist gar nicht so leicht zu erfüllen, wie es auf den ersten Blick erscheint. Im Alltag stellen sich viele Fragen, zum Beispiel:

 

*****

 

„Ist der Bettler auf der Straße, der die Hand aufhält, wirklich mein Nächster? Soll ich ihm Geld geben?“  

 

Verdient er überhaupt Deine Hilfe? Ist er wirklich in Not? Oder ist sein „Job“ ein Geschäftsmodell zum Geldverdienen wie jedes andere auch? Ist er gar nicht unfähig, sondern nur unwillig, eine für die Gemeinschaft nützliche Arbeit zu verrichten? (Hans Wulz „Das Leben“)  

 

Hier sind Dein Unterscheidungsvermögen und das Wissen Deines Herzens gefragt. Niemand kann Dir die Mühe ersparen, in jedem einzelnen Fall neu zu prüfen: Wo ist Hilfe nötig? Wo ist sie angebracht? Was ist zu tun?

 

Man sollte scheinbare Widersprüche überwinden können. Einerseits ist es notwendig, Herzensgüte zu entwickeln, andererseits, Strenge zu begreifen. Für viele ist diese Aufgabe völlig unlösbar; nur das Herz kann einem eingeben, dass diese beiden Eigenschaften sich nicht widersprechen. Nur das Herz kann einem eingeben, wann es notwendig ist, seinem Nächsten zu Hilfe zu eilen.

Man kann das Gesetz, wann dies oder jenes zu vollbringen ist, nicht mit einem Wort zum Ausdruck bringen. Die Gesetze des Herzens sind ungeschrieben, aber in ihm wohnt Gerechtigkeit, denn das Herz ist die Brücke der Welten. Wo ist die Waage der Selbstverleugnung? Wo ist der Richter der Heldentat? Wo ist das Maß der Pflicht? Beim Befehl des Herzens blitzt das Schwert des Wissens auf. Für das Herz wird es keinen Widerspruch geben. (Br I, 121)

 

*****

 

„Will der Nächste überhaupt meine Hilfe?“  

 

Es gibt unzählige Menschen, die objektiv zwar hilfsbedürftig sind, das aber nicht erkennen können oder sich nicht eingestehen wollen. Bei aller Not solltest Du Dich hüten, dort Unterstützung aufzudrängen, wo sie gar nicht erwünscht ist.

 

Auch der Leidende muss bereit sein! 

 

Man kann einem Menschen in Wahrheit erst dann helfen, wenn er selbst den Wunsch danach hat. Alles, was man bis dahin auch versuchen mag, ist „vergebliche Liebesmühe“. (TL III, 99)

 

Normalerweise gilt der eherne Grundsatz:

 

Hilf nur dann, wenn Du gerufen wirst!  

 

Ich beauftrage euch, jenen Hilfe zu gewähren, die unablässig anklopfen. (AY 183)

 

Falle nicht über die Leidenden her! Ein Rat oder ein Hilfsangebot genügt. Sowie man Deine Unterstützung zurückweist, endet Deine Verpflichtung.

 

*****

 

„Kann ich dem Nächsten überhaupt helfen?“  

 

Du musst Dich kritisch fragen: Hast Du die erforderlichen Fähigkeiten? Viele der sprichwörtlichen „hilflosen Helfer“ wissen es selbst nicht besser, richten bei all ihrem guten Willen nur Chaos an und machen damit die Situation nur noch schlimmer.

 

*****

 

Es ist ein bekanntes Phänomen: Ausgerechnet die Menschen, die noch nicht einmal ihre eigenen Probleme lösen können, wählen mit Vorliebe soziale, helfende oder beratende Berufe wie Erzieher, Pfleger, Psychologe, Psychotherapeut oder gar Lehrer. Diese Truppe solltest Du nicht vergrößern. Dann handle besser nach dem Motto:

 

Hilf erst Dir selbst, bevor Du anderen hilfst!  

 

Vor allem musst Du Wissen erlangen. Mache Dich zunächst mit den Grundlagen des Daseins vertraut! Es erfordert viel Weisheit, um wirksam Hilfe leisten zu können.

 

*****

 

„Ist dem Nächsten überhaupt zu helfen?“  

 

Eines der Probleme der heutigen Zeit ist: Gerade die Menschen, die mir ihrem Leben nicht fertig werden und eigentlich dringend Unterstützung benötigen, haben oft die „größte Klappe“ und wollen auf niemanden hören, der weiter ist als sie selbst. Sie wissen trotz ihrer offensichtlichen Not alles besser, schieben die Verantwortung für ihre erbärmliche Situation auf andere und sind nicht bereit oder in der Lage, gute Ratschläge zu erkennen, anzunehmen und praktisch umzusetzen. Auch sie sind noch nicht empfänglich für Deine Unterstützung.

 

Achte darauf, dass Du Deine wertvolle Zeit und Kraft nicht für ein Hilfsprojekt vergeudest, dass von vornherein zum Scheitern verurteilt ist!

 

*****

 

„Was ist, wenn mein Nächster selbst schuld ist, weil seine eigenen Schwächen ihn in seine schlimme Lage gebracht haben?  

 

Deine Hilfe verdient er trotzdem. In einem solchen Fall darfst Du aber eigentlich gar nicht versuchen, die Situation zu bereinigen. Vielmehr musst darauf hinwirken, dass Dein Nächster an sich selbst arbeitet und seine Unvollkommenheiten überwindet. Viele sind dazu aber nicht willens oder in der Lage.

 

Da gibt es das bekannte Beispiel von jemandem, der im Lotto 1 Million Euro gewinnt, sie aber schnell wieder durchbringt; sei es, weil er sie für Vergnügungen verschleudert, sei es, weil er mit Geld einfach nicht umgehen kann und nicht weiß, wie man eine so große Summe derart sinnvoll anlegt, dass man auf lange Zukunft von ihr Nutzen hat. Einen solchen Menschen mit Geld zu unterstützen wäre vermutlich sinnlos.

 

 

3. Wie helfen?  

Käthe Kollwitz „Bettelnde“

 

„Was genau benötigt der Nächste?“  

 

Manchmal musst Du eine Situation selbst in die Hand nehmen, alles allein regeln und Deinem Nächsten genau vorschreiben, was er tun und lassen muss, um aus seiner Lage herauszukommen.

 

Ein anderes Mal musst Du ihm im Gegenteil größte Freiheit geben, ihn selbst entscheiden lassen und nur ein wenig Hilfe zur Selbsthilfe gewähren.

 

*****

 

Es ist eine schwierige Aufgabe, zu erkennen, was der Hilfsbedürftige wirklich benötigt. Das ist nicht unbedingt dasselbe, was er verlangt, und auch nicht immer das, was Du gern geben würdest!

 

Ihr müsst eure Hilfe dem „wirklichen Bedürfnis eures Bruders“ anpassen, und nicht den Bedürfnissen, die er nach eurer Meinung hat. (TL VII, 360)

 

Normalerweise darfst Du den Hilfesuchenden nicht aus der Verantwortung entlassen, sich selbst zu helfen.

 

Übertriebene Hilfe schafft Schwächlinge. (FW I, 19)

 

*****

 

„Und wenn ich nur ausgenutzt werde?“  

 

Das ist tatsächlich eine Gefahr! Achte darauf, dass Dein Nächster nicht Deine Selbstlosigkeit ausbeutet und Dich dafür einspannt, seinem Egoismus zu dienen. So mancher setzt bewusst oder unbewusst seine Schwächen ein, um Unterstützung für seine im Grunde selbstsüchtigen Ziele zu erlangen.

 

*****

 

Gerade in der Familie beobachten wir oft: Jemand – typischerweise die Mutter – opfert sich für etwas auf, das bei näherer Betrachtung den Einsatz gar nicht wert ist, nämlich den Egoismus der Kinder oder des Partners.

 

*****

 

„Kann Hilfe mich herunterziehen?“  

 

Auch diese Gefahr besteht. Wirksame Hilfe kannst Du nur leisten, wenn Du von einem überlegenen Standpunkt aus handelst. Dein Engagement darf nicht dazu führen, dass Du Dich in das Chaos hineinziehen lässt, in dem Dein Nächster steckt. Nur wenn Du selbst oben stehst, kannst Du jemand anderem dabei helfen, sich zu erheben.

 

Eine der tiefsten Wahrheiten liegt in dem Gebot Jesu verborgen, das er einem angeblichen Jünger sagte, der sich zunächst noch um seine Neu-Verlobte oder das Begräbnis eines Freundes kümmern wollte: „Was geht das dich an? Du folge mir nach!“ Wenn auch nach allgemeiner Meinung dieses Gebot eine offensichtliche Herzlosigkeit darstellt, so war es doch tatsächlich die liebevollste und notwendigste Aufforderung; denn es wäre höchst bedauerlich, wenn der Jünger durch irgend etwas in den Sumpf, den er zu verlassen im Begriff war, zurückgezogen worden wäre, als er gerade dabei war, die nötige Macht zu erlangen, um denen beizustehen, die er verließ oder die ihn verlassen hatten. (TL III, 99)

 

 

4. Geistige Hilfe

Nikolaus Roerich „Archat“

 

 

„Bei „Hilfe“ denkt man immer zuerst ans Geld. Ist das richtig? Sollen wir spenden?“

 

Das ist nicht ganz falsch, aber zweitrangig.

 

Christus hat geraten, geistige Reichtümer auszuteilen. Doch da die Schlüssel dazu so weit entfernt sind, haben die Menschen diesen Rat auf die Verteilung von geraubtem Geld übertragen. Zunächst wird geraubt, dann unter Tränen abgegeben, und schließlich ist man noch über seine Güte entzückt. Gerade so, als ob der Lehrer Stühle und alte Pelzmäntel im Sinn hatte, als er vom Verteilen sprach! Der Lehrer wies auf den unwägbaren Reichtum hin. Nur eine geistige Gabe kann die Waagschale bewegen. (BGM II, 183)

 

Geldalmosen müssen abgeschafft werden: Hilfe kann durch Arbeit oder durch Sachen gegeben werden. (BGM II, 94)

 

Geistige Hilfe ist viel wichtiger, weil gerade heutzutage die größte Not der Menschen nicht materieller, sondern geistiger Art ist.

 

Geistige Hilfe ist am stärksten. (BGM I, 359 [422])

 

Nichts sollte einen davon abhalten, sein Wissen zu teilen und das Wachstum des Bewusstseins zu fördern. Darin besteht die Liebe zu seinem Nächsten. (FW I, 617)

 

Sie ist aber auch viel schwieriger, weil nur ein Wissender sie leisten kann.

 

Wenn Hilfe erwiesen wird, ist es von Bedeutung, ob man auch rechtzeitig Mut zuspricht. Die Ermutigung ist wertvoller als viele andere Arten von Hilfe. Der Ermutigende übergibt einen Teil seiner Energie, und eine solche Abgabe aus dem besten Besitztum ist kostbar. Mögen alle, die über das Überirdische nachdenken wollen, vor allem die Freude des Helfens kennenlernen. Eine solche Freude ist herrlich, und sie kommt ganz gewiss nicht nur einigen Reichen zu. Ein Rat vermag einen Notleidenden zu erheben, und jeder kann von seinem Wissen abgeben. (Br II, 650)

 

 

5. Karma und Hilfe

 

„Im Osten heißt es oft: Hilfe ist gar nicht angebracht. Jeder trägt selbst die Schuld an seinen Leiden und muss sein Karma allein abtragen.“

 

Das ist ganz falsch! Wir hatten schon gesagt (Sendung „Karma“ der Sendereihe „Einführung in Agni Yoga“): Die Kenntnis des Karmagesetzes darf uns nicht zu voreiligem oder mitleidlosem Urteilen oder zu einer fatalistischen Haltung verführen.

 

Selbstverständlich stehen dem Leidenden unser Mitleid und unsere Hilfe zu! Das sagt uns ganz deutlich das natürliche Empfinden unseres Herzens. Nirgendwo steht geschrieben, dass Karma allein abgearbeitet werden muss. Im Gegenteil: Unser aller Karma können wir Menschen nur gemeinsam lösen.

 

Eine aufrichtige Wohltat widerspricht dem Karmagesetz nicht. Es existiert die fanatische Auffassung, nach der man einem Nächsten nicht helfen dürfe, um sich nicht in sein Karma einzumischen. Welch schädlicher Irrtum! Die Fanatiker wollen sich nicht vorstellen, dass jeder Helfende bereits im Rahmen des Karma handelt. Der Mensch sollte jedoch jegliche Hilfe erweisen, ohne dabei an Karma zu denken. (Br II, 650)

 

Es gibt allerdings Fälle, in denen Hilfe karmisch nicht vorgesehen oder nicht erwünscht ist.

 

Es ist besonders schwierig, in Karma verstrickten Menschen zu helfen. Man kann bemerken, dass jede gute Tat auf Widerstand bei dem stößt, dem die Hilfe gesandt wird. Damit wird die allgegenwärtige besondere Energie bestätigt, die der Wächter des Karma genannt wird. Jene, die Karma beeinträchtigen, stoßen gleichsam auf Widerstand. Jeder kann sich erinnern, dass seine nützlichen Ratschläge gelegentlich auf ganz unerklärliche Ablehnung stießen. Manchmal sprechen Menschen mit vernünftigen Überlegungen zu ihrem eigenen Nachteil. Dann sollte man den Grund in karmischen Ursachen sehen. Der Wächter des Karma ist sehr streng. (Br I, 324)

 

Außerdem darfst Du in das Schicksal eines anderen Menschen nicht in der Weise eingreifen, dass Du ihm die Bewältigung einer Aufgabe abnimmst, die Karma nicht ohne Grund gerade ihm auferlegt hat. Damit machst Du das Wirken von Karma zunichte, das es letztlich gut mit dem Betroffenen meint.

 

Eine der feinsten Bedingungen überhaupt bleibt die Unverletzlichkeit des Karma. Zu geben, zu helfen und sogar zu führen, ohne die Persönlichkeit zu verletzen, ist eine schwierige Aufgabe. Jeder steht vor dieser Entscheidung. (FW I, 135)

 

 

6. Größer werden durch Hilfe

Gustave Moreau „Der hl. Martin und der Bettler“

 

„Verliere ich nicht Kraft, schwäche ich nicht mich selbst, wenn ich helfe?“

 

Wir hatten schon gesagt (Sendung „6. Pfeiler Selbstlosigkeit“): Deine Seele wird größer, nicht wenn sie nimmt, sondern wenn sie gibt! Du förderst also Dein eigenes geistiges Wachstum, wenn Du Menschen in Not Hilfe leistest.

 

Die Menschen sollten über die Qualität ihrer Ausstrahlungen nachdenken. Jedes Schaffen von Gutem verbessert bereits die Ausstrahlung. Die Menschen können sich selbst helfen, indem sie ihren Nächsten helfen. (Br II, 812)

 

Wenn der Mensch die irdische Hülle anlegt, kann er Gutes schaffen, um sich auf diese Weise zu vervollkommnen – so spricht die uralte Weisheit. (Br I, 261)

 

Das gilt aber nur, wenn Du vollkommen selbstlos tätig wirst. Achte darauf, dass Du nicht aus selbstsüchtiger Berechnung hilfst. Gutes zu tun, um daraus Vorteil zu ziehen – selbst wenn es geistiges Wachstum ist –wird sicherlich nicht die richtige Motivation sein.

 

Hilfe beinhaltet kostbare Emanationen, doch muss die Wohltat natürlich aufrichtig sein, darin ist jeder sein eigener Richter. Wir schätzen Hilfe, wenn sie aus instinktivem Antrieb erwiesen wird. Der Mensch darf nicht darüber nachdenken, warum er jemandem hilft. Viele lassen einen Wanderer in Not nicht im Stich, ohne zu überlegen, welch schöne Tat sie damit vollbringen. Und diese Einstellung ist richtig, denn Eigennutz vernichtet sämtliche guten Folgen. (Br II, 650)

 

Täusche Dich nicht selbst! Wir haben schon Helfer gesehen, die – bewusst oder unbewusst – die größten Egoisten waren. Sie nutzen tatsächlich die Schwäche ihrer Nächsten aus, um sich selbst zu erhöhen, andere zu bevormunden und Macht über sie auszuüben.

 

Derartige Reste von Egoismus blitzen in einem jeden von uns immer wieder einmal auf. Wir müssen sie wachsam aufspüren und sogleich überwinden.