AGNI YOGA WEB TV
SENDEREIHE
„DIE 10 GRUNDPFEILER DER PRAXIS DES AGNI YOGA“
1. Pfeiler : Verteidigung des höheren Bewusstseins
Meine
Damen und Herren,
wie
schön, dass Sie wieder in unser Programm hereinschauen.
Wir
beginnen heute mit der täglichen Praxis des Agni Yoga; oder mit der Praxis der
Unsterblichkeit; oder, noch anders gesagt, mit einer Lebensweise, die Ihrer
neuen Würde als unsterblicher Mensch angemessen ist. Der erste der zehn
Grundpfeiler ist die Verteidigung des höheren Bewusstseins.
Sie
sehen erneut: Agni Yoga ist ein geistiger Yoga. Hier steht der Geist, die
Entwicklung des Bewusstseins an erster Stelle.
1. Unsterblichkeit erlangen –
eine geistige Übung
Die
Verwandlung in den neuen, unsterblichen Menschen muss zunächst und vor allem in
Ihrem Bewusstsein stattfinden. Wir hatten schon gesagt: Der Mensch ist, was er
denkt. Nur wer denkt wie ein Unsterblicher, kann als ein solcher in der Welt
auftreten und damit ein Unsterblicher sein.
Sie
müssen Ihre Unsterblichkeit unabhängig von den äußeren Umständen erringen. Wenn
Sie nicht in allen Verhältnissen, in die es Sie verschlägt, als ein
Unsterblicher auftreten können, sind Sie einstweilen auch noch kein
Unsterblicher.
So
ungewöhnlich es klingt, so wahr ist es gleichwohl: Unsterblichkeit erlangen ist
eine geistige Übung! Der Neue Mensch unterscheidet sich vom alten vor allem dadurch,
dass er das Bewusstsein seiner Unsterblichkeit heranbildet und in jeder Lage
eine entsprechende Haltung bewahrt.
2. Neues Denken
Rodin "Der Denker"
Sie
werden zu einem Unsterblichen, indem Sie sich ein neues Denken angewöhnen: Identifizieren
Sie sich mit Ihrer Seele. Denken Sie in jedem Augenblick, vergessen Sie nie: „Ich
bin kein materielles, sondern ein geistiges Wesen, eine Seele.“ Dann ergibt
sich das entsprechende Auftreten von selbst.
Dieses
neue Denken lautet, wie wir bereits besprochen hatten: Ich bin kein
vergängliches, sondern ein ewig lebendes Wesen. Ich bin keine Frau und kein
Mann, mein wahres Selbst ist geschlechtslos. Ich bin kein Deutscher, Amerikaner
oder Russe, denn mein ewiges Ich inkarniert in den verschiedensten Völkern und
ist damit ein Weltbürger. Ich bin kein Hindu, Moslem, Christ oder Jude, denn
mein höheres Selbst erscheint in den verschiedensten Religionen. Meine wahre Heimat
ist die jenseitige Welt der Seele; und so fort.
Wir sind keine vorübergehenden, sondern
unendliche Wesen. (Herz 515)
Das
neue Denken lautet weiter, wie wir ebenfalls bereits gesagt hatten: Sie denken
nicht „Ich habe Hunger“, wenn Ihr Magen knurrt, sondern: „Mein Vehikel verlangt
Treibstoff – soll er wirklich schon wieder welchen erhalten?“ Sie denken nicht
„Ich habe Schmerzen“, wenn Ihr Körper sich verletzt hat, sondern: „Mein
Werkzeug scheint beschädigt zu sein – wie kann ich es reparieren?“
Wenn
Sie sich dieses neue Denken angewöhnen und danach handeln, verwandeln Sie mit
der Zeit Ihr Wesen und werden tatsächlich von einem materiellen zu einem
geistigen Geschöpf – weil Sie wie ein solches denken, fühlen, sprechen und
handeln.
3. Neue Eigenschaften
Wir
hatten ebenfalls bereits gesagt: Ihr wahres Selbst ist unsterblich und damit unverletzlich,
nichts und niemand kann ihm etwas anhaben. Das heißt: Ihre Seele ist ihrem
Wesen nach furchtlos, frei und selbstlos. Dieses geistige Wesen steht mit der
Macht eines überlegenen Lächelns über allen materiellen Verhältnissen. Es freut
sich tatsächlich über die mannigfaltigen Schwierigkeiten, Hindernisse und
Kämpfe des Alltages, weil es nur an ihnen wachsen kann.
Das
bedeutet: Um eine Seele zu sein, müssen Sie eine Reihe von Eigenschaften
entwickeln: Solange Sie z. B. noch Furcht oder Egoismus zeigen, sind Sie
tatsächlich noch kein Unsterblicher.
Das
ist zunächst ein Schritt in der Entwicklung Ihres Bewusstseins, ein innerer
Vorgang. Dort, in Ihnen selbst, wird Ihre neue Haltung (Furchtlosigkeit, Macht,
Freude, Selbstlosigkeit) gebildet. Als nächstes müssen Sie dann diese geistige
Errungenschaft unter allen äußeren Umständen, in allen Welten erproben,
bekräftigen und bewähren.
4. Bewusstsein in das höhere Selbst verlegen
Wenn
Sie unsterblich werden wollen, müssen Sie Ihr Bewusstsein aus dem Körper
herausziehen und in Ihr höheres Selbst verlagern, wie die folgende Skizze
zeigt:
Sie
müssen lernen, so zu denken, zu fühlen, zu sprechen und zu handeln, wie Ihr
geistiges Wesen es will.
Zieht euer Bewusstsein in euer Inneres, und blickt aufs äußere Leben von eurem
eigenen Aussichtspunkt, eurem eigenen Zentrum aus. Seht mit den Augen der
Seele. (TL X, 554)
Die
entscheidende Frage ist: Von wo aus werden Sie gelenkt? Solange sich Ihr
Bewusstsein im Körper befindet, werden Sie von dessen irdischen Sorgen und materiellen
Begierden hin und hergeworfen. Wenn das Bewusstsein in Ihr höheres Selbst überwechselt,
stehen Sie über den irdischen Wirren; dann bestimmt der Geist Ihr Denken und
Handeln auf der physischen Ebene.
Der bloße Erwerb wunderwirkender Kräfte
kann dem Schüler der okkulten Wissenschaft niemals die Unsterblichkeit sichern,
wenn er nicht die Mittel erlernt hat, sein Individualitätsgefühl aus dem
verweslichen materiellen Körper in das unverwesliche ewige Nicht-Wesen zu
verlagern, das durch sein siebentes Prinzip repräsentiert wird. Betrachten Sie
bitte dies als das wahre Ziel der okkulten Wissenschaft, und prüfen Sie, ob die
Regeln, denen sich zu unterwerfen von Ihnen verlangt wird, notwendig sind oder
nicht, um diese gewaltige Veränderung herbeizuführen. (MB II, 81, 82)
Indem
Sie Ihre Identität wechseln und von einem materiellen zu einem geistigen Wesen werden,
schlüpfen Sie – Ihr wahres, geistiges Ich - sozusagen in eine andere Haut: Ihr
Bewusstsein verlässt den Leib und tritt in die Seele ein. Das ist so, als ob Ihr
Geist von einem fremden Körper Besitz ergreift, z.B.
dem Leib eines anderen Menschen oder dem eines Tieres - nur dass die Seele eben
kein physischer Körper ist, sondern eine Form der geistigen Welt.
Sehen
wir es so: Die Seele existiert. Sie ist aber wie eine tote Hülle, solange wir sie
nicht mit unserem Bewusstsein erfüllen. Erst dann erwacht sie zum Leben, kann
in Erscheinung treten, sich äußern und tätig werden.
Bleibt
Ihr Bewusstsein im Leib, erlischt es mit dessen Tod. Wird es in die Seele
verlagert, lebt es mit ihr auch nach dem Tod des Körpers fort. Nur so kann die
Verheißung ewigen Lebens, die alle Religionen kennen, Realität werden.
5. Herrschaft des Geistes
Wir
hatten schon gesagt: Unsterblichkeit erlangen bedeutet: Die Herrschaft des
Geistes über sich selbst errichten, nämlich nur noch das höhere Selbst, das
Göttliche unseres Wesens zum Ausdruck bringen. Solange Sie Ihrem Körper
erlauben, Ihre Gedanken, Gefühle, Worte und Taten zu bestimmen, treten Sie
nicht als ein geistiges, sondern als ein physisches Wesen auf.
Schon
Platon hat gesagt (Dialog „Phaidros“):
Unser wahres, ewiges Ich gleicht einem Wagenlenker, der die Rosse seines
Streitwagens lenken und beherrschen muss. Die vier Pferde dieser Quadriga sind
der physische Körper, der Gefühls-, der Instinkt- und der Gedankenkörper.
Ständig
versucht eines dieser Pferde – einer dieser Körper -, auszubrechen und seinen
eigenen Weg zu gehen: Der Leib verlangt nach Genuss, der Gefühlskörper gibt
sich seinen Stimmungen hin, der Instinktkörper reagiert aggressiv oder verspürt
Lust auf Fortpflanzung, dem Gedankenkörper gehen ständig die verschiedensten
Ideen durch den Kopf. Unablässig ist das höhere Selbst damit beschäftigt, sie
alle zu bändigen.
Die Hände eures geistigen Selbst müssen
ebenso sicher und beständig das Steuer eurer persönlichen Natur führen, wie die
Hand des Kapitäns niemals die Lenkung seines Schiffes aufgibt. (TL V, 270)
Wenn
Sie den Rossen – den vier sterblichen Körpern – die Herrschaft überlassen, verfehlt
das Gespann seine Bestimmung. Der Wagenlenker – die Seele - muss sein Ziel
vorgeben und gegen die Triebe der Pferde durchsetzen.
Auch
diese beständige Auseinandersetzung mit dem niederen, vergänglichen Teil
unserer Natur ist ein rein innerer Vorgang: Ein geistiger Kampf in uns selbst mit
uns selbst! Sind Sie der Lenker, oder werden Sie gelenkt? Das entscheidet sich allein
in Ihrem Bewusstsein.
6. Verlust des höheren Bewusstseins
Das
Problem ist: Sie können das höhere Bewusstseins Ihrer Unsterblichkeit im
stillen Kämmerlein, rein gedanklich, relativ leicht bilden. Sobald Sie aber in
der Welt hinausgehen, fallen Sie in Ihr altes Wesen zurück:
Kehrt der Mensch in die niedere
physische Welt zurück, vergisst er sein höheres Wesen, als wäre es ein Traum
gewesen. Man muss eine Brücke finden, um den Verlust des Bewusstseins zu
verhindern. (Hier 397)
Wenn
Ihnen etwas misslingt, fühlen Sie sich schwach und verzweifeln – obwohl Sie als
Unsterblicher eine Ewigkeit Zeit haben, zu lernen und es noch einmal zu
versuchen.
Wenn
andere Menschen Ihnen Schaden zufügen oder Sie beleidigen, fühlen Sie sich
verletzt - obwohl Ihr ewiges Selbst durch derlei gar nicht betroffen wird. Die
kleine Seele fühlt sich immer wieder verletzt, obwohl sie doch unverletzlich
ist. Solche Schwächen müssen Sie gedanklich, im Geist, im Bewusstsein überwinden.
Herrlich ist es, wenn jemand hohes
Denken unter allen Umständen in sich zu hüten vermag. (Br II, 651)
Wenn
Menschen Sie verlassen, fühlen Sie sich einsam - obwohl das höhere Selbst in
seiner Welt eine Vielzahl von Geistesfreunden und Seelenverwandten hat.
Sie
sorgen sich um den Körper, um das morgige Überleben. Das ist falsches Denken,
das Sie korrigieren müssen: Für Ihre unsterbliche Seele ist besser, wenn Ihre
vergängliche irdische Hülle kurz aber richtig, als
wenn sie lang aber falsch lebt.
An den Gedanken erhabenen Lebens kann
man sich ebenso gewöhnen wie an Speise und Trank. (AY 407)
Sie
greifen weiterhin zu weltlichen Tröstern wie Essen, Trinken, Besitz,
Vergnügungen oder Zerstreuungen in dem vergeblichen Versuch, Ihrer Stimmungen
Herr zu werden - obwohl Sie im Grunde genau wissen, dass Sie damit die
Besserung nur erschweren, weil Sie so die Macht Ihres Geistes schwächen, anstatt
sie zu stärken.
Diese
Beispiele zeigen: Sie müssen eine Strategie für die Verteidigung Ihres höheren
Bewusstseins entwerfen. Sie müssen jeden Gedanken und jedes Gefühl sogleich
erkennen und korrigieren, das mit Ihrer neuen Würde als unsterblicher Mensch nicht
vereinbar ist.
7. Drei Säulen der Verteidigung des höheren Bewusstseins
Der
erste praktische Schritt zur Verteidigung des höheren Bewusstseins besteht darin,
drei Säulen aufzurichten, die Ihnen Halt geben:
Wir
in Tabenisi führen am Morgen als erstes, bevor wir irgendetwas anderes
beginnen, zunächst eine kurze Meditation durch: In aller Stille verwandeln wir
uns tatsächlich im Geist in ein ewiges, geistiges Wesen. Wir nehmen uns fest
vor, diese Verwandlung im Laufe des Tages in der Welt durchzuhalten, als ein
solches Wesen aufzutreten, also insbesondere furchtlos, überlegen, freudig und
selbstlos. Wir bedenken die Fehler der vergangenen Tage und legen uns eine
Strategie zurecht, um sie heute zu vermeiden.
Von
dieser machtvollen Position aus steigen wir Tabeneser in das irdische Leben hinab.
Nicht nur, um unseren weltlichen Verpflichtungen nachzukommen, sondern auch mit
dem höheren Ziel, die Verwandlung in einen Unsterblichen tatsächlich durchzuhalten.
Wir erleichtern uns unsere Aufgabe, indem wir daran denken, dass es zunächst
nur um einen kurzen Lauf geht, bis wir am Mittag die nächste Säule erreichen.
Im Sturm muss man eine Vorstellung vom
ersehnten Hafen haben. (Br II, 688)
Am
Mittag nimmt ganz Tabenisi eine kurze Auszeit. Wir rufen uns in Erinnerung und
bekräftigen erneut, dass wir Unsterbliche sind und als solche in Erscheinung
treten wollen. Dann treten wir schon den letzten Lauf des Tages an.
Am
Abend nehmen wir uns noch einmal Zeit für eine Meditation. Wieder vollziehen wir
in der Stille die Verwandlung. Außerdem legen wir uns selbst Rechenschaft
darüber ab, wie der Tag verlaufen ist: Haben wir unsere Vorsätze durchhalten können? Welche Fehler haben wir begangen? Was können wir
morgen besser machen?
Wenn
Sie diese Praxis nachahmen, kann auch Ihr Tag fest auf diesen drei Säulen
ruhen. Zumindest zu diesen drei Tageszeiten sind Sie tatsächlich ein geistiges
Wesen. Die Läufe dazwischen sind kurz und nicht allzu schwierig zu überbrücken.
Nach und nach werden Sie lernen, auch die Zeit in der Welt für die tatsächliche
Durchführung der Verwandlung immer besser zu nutzen.
8. Ständige Wachsamkeit
Rembrandt "Die Nachtwache"
Die
nächste geistige Übung zur Verteidigung des höheren Bewusstseins ist, ständige
Wachsamkeit zu entwickeln:
Ihre
hohe Position als Unsterblicher, als Neuer Mensch der nächstfolgenden
Evolutionsstufe ist ständig gefährdet. Unser Vorfahre, der mit dem gigantischen
Projekt begann, sich auf zwei Beine zu erheben, fiel zunächst immer wieder auf
seine vier Pfoten zurück. Ebenso fallen auch wir heute immer wieder in die gewohnten,
alten Handlungsmuster der Verletzlichkeit, der Furcht, der Schwäche, der
Freudlosigkeit oder des Egoismus zurück.
Das
bedeutet: Der Wagenlenker darf seine vier Rosse keinen Augenblick lang
unbeaufsichtigt lassen. Er muss sofort eingreifen und gegensteuern, wenn eines
von ihnen ausbricht und damit das ganze Gefährt von seinem Weg abzubringen
droht.
Man sollte nicht meinen, ein Archat
könnte in seinem Bewusstsein den Führenden Willen auch nur für einen Augenblick
außer acht lassen. Er wird
zum einfachen Sterblichen, wenn Er nicht immer feierlich den Kelch der
Heldentat trägt. Die Macht seines Herzens ermattet, sobald er nicht mehr den
Hierarchischen Faden in seiner Hand spürt. In dieser Erkenntnis ewiger Wachsamkeit
besteht die Einmaligkeit des Archaten. Doch diese Feierlichkeit ist bei der
Verwirrung der Atmosphäre nicht leicht. (FW I, 196)
Es
geht um nicht weniger als den Kampf Ihrer höheren Existenz um ihr Überleben!
Die Seele kommt unter die Räder, wenn die Rosse sich durchsetzen und
durchbrennen! Wie früher zur Verteidigung der physischen Persönlichkeit ein
Schwertkampf geführt wurde, so müssen wir heute eine geistige Kampfkunst
erlernen, um unser überirdisches Leben zu schützen.
Das
bedeutet: Sie müssen sich in jedem Moment der Gefahr bewusst sein, von dem
hohen Podest herabgestürzt zu werden, auf das Sie sich gestellt haben. Wenn doch
einmal Ihre Wachsamkeit für einen Moment nachgelassen hat und Sie abgestürzt
sind, können Sie den Schaden gering halten, indem Sie sich
sogleich wieder erheben.
Diese
ständige Wachsamkeit müssen Sie sich zur Gewohnheit machen - genau wie die
Tiere, z. B. Vögel oder Mäuse, die beständig nach allen Seiten hin sichern und
immer auf der Hut vor Feinden sind. Indem Sie Ihre Gewohnheiten ändern, ändern
Sie tatsächlich Ihr Wesen!
9. Der Gesandte
Dazu
ein Beispiel:
Wann
hört ein Gesandter eines großen Königs auf, ein solcher zu sein? Wenn er sich
in widerwärtige, geistfeindliche Umstände begeben muss, um den Empfänger der
Botschaft zu erreichen? Nein. Wenn er das Unglück hat, von diesem ins Gefängnis
geworfen zu werden? Auch dann nicht: Ein gefangener Botschafter bleibt immer
noch ein Botschafter: Solange Sie wie ein Repräsentant einer höheren Macht
auftreten, nehmen Sie er an deren Würde teil, wie immer die äußeren Umstände
liegen mögen.
Die individuelle Seele weiß, dass sie
eines der geschlechtslosen spirituellen Wesen ist, die aus höheren Sphären
herabkamen, um die grobe Materie zu erlösen. (TL VII, 342)
Nur
wenn der Botschafter das Bewusstsein seiner großen Aufgabe verliert, wenn sein
Wille gebrochen wird, wenn er nicht mehr die Kraft, die Disziplin aufbringt, um
die Würde seines Amtes in jedem Augenblick und in allen Verhältnissen zu
bewahren - dann sinkt er auf das Niveau derjenigen herab, die er eigentlich
erheben und befreien sollte. Davor kann ihn nur die ständige, wachsame Verteidigung
des Bewusstseins seiner hohen Stellung bewahren.
10. Einheitliche Identität auf allen Ebenen bewahren
Die
Verteidigung des höheren Bewusstseins muss noch einen Schritt weiter gehen:
Wir
hatten schon gesagt: Ihre Seele geht einen ewigen Weg durch die verschiedensten
materiellen und nicht-materiellen Welten, Existenzen und Daseinsebenen. Ihre
derzeitige irdische Persönlichkeit – Herr Meier oder Frau Schulze – ist
vergänglich. Sie wird in einigen wenigen Jahren schon nicht mehr existieren.
Sie ist daher nicht Ihre wahre Identität.
Wir alle müssen uns unseres eigenen
Egos, unseres täuschenden, scheinbaren Selbstes
entledigen, um unser wahres Selbst in einem jenseitigen, göttlichen Leben zu
erkennen. (MB I, 216)
Sie
müssen lernen, diese unterschiedlichen Existenzen nicht als verschiedene Leben,
sondern als das eine, einheitliche Leben Ihrer ewigen Individualität anzusehen,
das nur in verschiedenen Räumen und unter Nutzung
verschiedener, jeweils vergänglicher Werkzeuge (Körper) stattfindet.
Man kann die Reihe von
Wiederverkörperungen als eine Reihe voneinander getrennter Leben ansehen, aber
es ist besser, die vielen Wiederverkörperungen als ein einziges Leben zu
betrachten. Wahrlich, es gibt nur ein Leben. (AY 450)
Die
soeben bereits besprochene Übung, Ihr Bewusstsein in Ihr höheres Selbst zu
verlegen, erfordert also auch: Ihr Bewusstsein aus der vergänglichen, irdischen
Persönlichkeit herauszuziehen: Identifizieren Sie sich nicht mehr mit Herrn
Meier oder Frau Schulze. Üben Sie, Ihre ewige, geistige Individualität als Ihr
wahres Ich anzusehen.
Sie
sind gar nicht Herr Meier oder Frau Schulze. Sie sind ein ganz
anderes, ein physisch nicht sichtbares oder greifbares geistiges Wesen.
Geben wir diesem Wesen zur Identifizierung beispielhaft den Namen „Anima“ (Sie
werden sich natürlich einen besseren Namen wählen), dann können wir sagen: Sie
sind „Anima“.
„Anima“
- Ihr wahres Selbst - nutzt Herrn Meier oder Frau Schulze kurzfristig, um auf
der Erde aufzutreten. „Anima“ gibt diese Persönlichkeiten aber auf, sobald
deren natürliches Ende erreicht ist. Sie wählt sich dann ein neues Vehikel, um auf
der nächsten Ebene fortwirken zu können. Nach Helena Blavatsky ist Unsterblichkeit
jene Gabe, welche derselben Großen
Persönlichkeit gestattet, nach Belieben aus einem abgetragenen Körper in einen
anderen überzugehen. (Geheimlehre II, 1. Teil, Strophe X., Kapitel „Keine
Teufel außerhalb der Menschheit“, S.288)
Solange
Ihr Bewusstsein in einer vergänglichen Persönlichkeit (Herr Meier) verbleibt,
sind Sie sterblich - denn diese geht zu Ende. Sie bilden dann in einem späteren
irdischen Leben eine neue, wiederum sterbliche Persönlichkeit (Frau Schulze) ohne
Zusammenhang mit der vorigen. So splittern Sie Ihr ewiges Leben in viele
einzelne, jeweils vergängliche Existenzen auf.
Erst
wenn Sie das neue, höhere Bewusstsein, Ihre wahre, Identität als „Anima“ in
allen Welten, in die es Sie auf Ihrem ewigen Weg verschlägt, ununterbrochen
bewahren, sind Sie wirklich unsterblich.
Die Erlangung wahrer Unsterblichkeit ist
das Beibehalten des Bewusstseins auf allen vier Ebenen des Seins. (HR I/3, 128,
Brief vom 11.06.1935)
Sie
müssen lernen, immer und überall „Anima“ zu sein: im Himmel, wo sie mit einem
feinstofflichen Körper auftritt, auf der Erde, wo sie in einem physischen
Körper inkarniert ist, wieder im Himmel, dann wieder auf der Erde, und so fort:
Ein und dieselbe ununterbrochene Identität auf allen materiellen und
nicht-materiellen Daseinsebenen – das ist Unsterblichkeit!
11. Ewige Individualität selbst erschaffen
Nikolaus Roerich "Lama"
Was
müssen Sie tun, um das höhere Bewusstsein, Ihre neue Identität als „Anima“ über
alle Übergänge hinweg zu bewahren? Zunächst müssen Sie, über die Bildung des
Bewusstseins Ihrer Unsterblichkeit hinaus, in einem weiteren Schritt Ihre
höhere Identität selbst erschaffen.
Ihr
physischer Körper wird Ihnen in die Wiege gelegt. Ihre wahre, geistige,
überzeitliche Individualität müssen Sie selbst ausbilden.
Auf dieser göttlichen Ebene ist jeder
Mensch der Erbauer seiner eigenen Seele und der Architekt seiner eigenen
Unsterblichkeit. (TL VII, 365)
Tiere
sind nahezu konturlos in der jenseitigen Welt, weil sie noch kein Bewusstsein
ihrer selbst entwickelt haben und daher ihr geistiges Wesen nur in sehr geringem
Maße ausformen können.
Der
Mensch dagegen hat sich dieses Bewusstsein errungen und muss nun daran gehen,
sich selbst – sein höheres Ich – nach einem Bild zu formen, das er zunächst
selbst entwerfen muss.
Ihr müsst euch ein Idealbild machen und
dann die Seelensubstanz nach diesem Idealbild formen. (TL V, 267)
Wir
hatten schon gesagt: In der geistigen Welt, der Heimat der Seele, können Sie
alles sein, was Sie zu sein wünschen, weil Sie sich aus Ihren eigenen Gedanken
und Gefühlen selbst formen. Überlegen Sie also: Wie soll „Anima“ aussehen? Wer
oder was wollen Sie sein? Nach welchem Bild wollen Sie Ihr höheres Wesen modellieren?
Eine
mögliche Wahl einer höheren Existenz ist die des geistigen Schülers eines
großen Lehrers. Das ist eine Identität, die in allen Welten, auf allen
Daseinsebenen möglich ist. Wenn Sie diesem Weg folgen wollen, müssen Sie herausfinden,
wie ein solcher Geistesschüler zu allen Zeiten ausgesehen hat, und sich selbst nach
diesem Ideal formen.
Es gehört zu den Pflichten, die dem
angenommenen hohen persönlichen Chela der Großen Weißen Loge auferlegt werden,
sich solch ein Ideal (gewöhnlich von ihm nach dem Konzept seines Meisters
gebildet) aufzubauen und einige Augenblicke in seinen Stunden der Meditation
dazu zu verwenden, den Samen - die ersten Ursachen - von dem zu pflanzen, was
einmal sein persönliches Selbst sein soll. (TL VI, 287)
Das
ist ein rein geistiger Vorgang, der zunächst allein in Ihrem Bewusstsein
stattfindet und erst danach in der materiellen Realität erprobt, bekräftigt und
bewährt werden muss.
Wir
gehen auf die Einzelheiten dieser Übung in späteren Sendungen noch näher ein.
Um Ihnen eine Vorstellung zu geben, können wir aber heute schon andeuten: Sie –
Ihr höheres, geistiges Wesen – sind tatsächlich ein Schüler, wenn Sie regelmäßig
Ihren Lehrer aufsuchen, am besten täglich morgens, mittags und abends –
natürlich im Geist! Wenn Sie sich bei ihm zu Dienst und Ausbildung melden. Wenn
Sie von ihm Weisungen, Aufgaben und Aufträge entgegennehmen und diese in Ihrem
alltäglichen materiellen Leben ausführen.
12. Die Seele wachsen lassen
Die
von Ihnen selbst erwählte, ewige Individualität müssen Sie großziehen, nicht
anders als ein Kleinkind. Einstweilen ist Ihre Seele – die Sie ja gerade erst
entdeckt haben – noch ein Baby, das von den Umständen oder seinem physischen
Werkzeug, dem Körper, hin und her getrieben wird wie ein kleines Kind auf einem
großen Pferd.
Ihr
geistiges Wesen muss so groß und so stark werden, dass es das Auftreten der vier
sterblichen Körper beherrschen kann wie der Wagenlenker die Rosse der Quadriga.
Letztlich
ist es das Ziel der spirituellen Disziplin, die Seele wachsen zu lassen, so
dass sie von einer kleinen zu einer Großen Seele – einem Mahatma – wird.
Das
ist ein Vorgang, der sich unabhängig von den materiellen Verhältnissen in Ihrem
Bewusstsein abspielt. Der Kampf um Überleben, Erziehung und Wachstum der ewigen
Individualität findet allein im Geist statt.
Meisterschaft zeigt sich im Sieg über
das niedere Ich. Sich selbst besiegend, steigt der Sieger auf. (BGM I, 373
[437])
Erst
wenn Sie diesen geistigen Kampf gewonnen haben, können Sie die daraus
resultierende geistige Errungenschaft – eine gewachsene Seele - in der äußeren Welt
zur Geltung bringen.
Wir
werden in späteren Sendungen noch genauer besprechen, wie Sie das Wachstum
Ihrer Seele fördern können. Heute soll eine Übung genügen: Nehmen Sie sich
etwas vor – z. B. die Änderung einer Ernährungsgewohnheit oder die
Verwirklichung einer Idee, eines Traumes. Setzen Sie diesen geistigen Plan in
materielle Wirklichkeit um. Unweigerlich werden Widerstände auftreten: in Ihrem
eigenen Inneren oder in der Welt. Durch den Kampf gegen diese Widerstände wächst
Ihr geistiges Wesen und wird größer und stärker.
Hören
wir eine der wichtigsten Aussagen von Helena Roerich:
Die Freude am Kampf ist das grundlegende
Merkmal des Seins. Durch Kampf kommen die Macht des
Geistes und das herrliche Geschenk der Unsterblichkeit. (HR I/1, 96; Brief vom
13.05.1931)
Fassen
wir zum Abschluss dieser Sendung zusammen: Der erste Grundpfeiler der Praxis
des Agni Yoga besteht darin, dass Sie das Bewusstsein Ihrer neuen Würde als unsterblicher
Mensch keinen Augenblick verlieren und jeder Situation mit einer entsprechenden
Haltung begegnen. Nur dann sind Sie tatsächlich ein Unsterblicher. Weiter
müssen Sie, wenn Sie auf dem Geistigen Pfad vorankommen wollen, Ihr wahres
Wesen, Ihre ewige Individualität ausbilden und großziehen.