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SENDEREIHE

 

„EINFÜHRUNG  IN  AGNI  YOGA“

 

 

SENDUNG  19

 

Der Sinn des Leidens

 

 

Liebe Agni Yogis,

 

alle unsere Sendung sind Bausteine für die Welt der Zukunft; Beiträge zur Bildung eines neuen Bewusstseins, das mit der Zeit zu einem neuen Handeln und damit zu einer Neuen Welt führen wird.

 

*****

 

Wenn wir Fortschritte machen wollen, mental und materiell, müssen wir vor allem ein neues Denken finden, eine neue Haltung gegenüber all dem Leid, das wir in der Welt sehen und das uns selbst widerfährt.

 

Um glücklich zu sein trotz des allgegenwärtigen unermesslichen Leidens, musst Du nur drei Dinge kennen:

 

1. den Sinn des Lebens,

2. den Sinn des Leidens und

3. den Nutzen von Hindernissen.  

 

Über das erste hatten wir schon gesprochen, über das zweite sprechen wir heute und über das dritte in der nächsten Sendung. Alle drei zusammen genommen sagen Dir: Größer werden und Deine Lebensfreude bewahren kannst Du in allen, noch den schrecklichsten Verhältnissen. Widrige Umstände bieten Dir sogar eine besonders günstige Gelegenheit, die Macht Deines Geistes zu stärken.

 

Der Schüler fragt: „Wieso fällt es den Menschen so schwer zu verstehen, warum sie leiden müssen?“

 

Weil sie die Gesetze des Daseins nicht kennen: Evolution, Karma und Entsprechung. Weil sie ihr Denken auf ihre kurze gegenwärtige Inkarnation beschränken und die ewige Existenz ihres wahren Selbst nicht anerkennen wollen.

 

Das Christentum, so wie es die Kirche heute lehrt, ist nicht in der Lage, den Sinn des Leidens zu erklären. Bei Betrachtung nur eines Lebens ist das auch unmöglich. Den Nutzen des Leidens erkennt nur ein Unsterblicher.

 

Noch unerträglicher ist es für die Menschheit, vom Nutzen des Leides zu hören; nicht aus Furcht vor Schmerz oder Unbehagen, sondern weil sie kein Leben jenseits des irdischen Daseins anerkennen. (AUM 284)

 

 

1. Hinweis auf Fehlverhalten

 

„Du hattest gesagt: Agni Yoga ist eine Synthese von Wissenschaft und Religion. Kann man den Sinn des Leidens wissenschaftlich erklären?“

 

Ja, sicherlich! Leid hat in unserem Leben und in der Kosmischen Ordnung eine Funktion, die unentbehrlich ist, genauso wie Schmerz:

 

Schmerz weist den Körper auf Schwachstellen oder falsches Verhalten hin. Wenn ich beständig mit dem Kopf gegen die Wand stoße, signalisiert mir der Körper durch Schmerz, dass ich ihm Schaden zufüge, wenn ich so weitermache.

 

Eigentlich muss ich für diese Mahnung dankbar sein. Sie hilft mir, meinen Körper zu schützen, zu erhalten und zu stärken.

 

Ein Kind erkennt nicht die Eigenschaft des Feuers, solange es sich nicht verbrennt. Natürlich, die Erwachsenen lächeln hochmütig über dieses Beispiel, sie erlangen aber ihre eigenen Erfahrungen nach den gleichen Methoden. (Herz 202)

 

Genauso verhält es sich mit Leid:

 

Wie Schmerz dem Körper, so zeigt Leid der Seele auf, wo sie noch schwach ist oder sich falsch verhält. 

 

„Wenn das so ist, kann ich eigentlich auch für all das Leid, das mit widerfährt, nur dankbar sein!“

 

In der Tat! Diese Hinweise ermöglichen Dir erst, Schwachstellen zu beheben, Fehlverhalten, Verletzungen der Kosmischen Ordnung abzustellen und Deine Ewige Individualität weiterzuentwickeln.

 

Ohne Leid würdest Du gar nicht bemerken, dass Du falsch lebst und damit Deiner Seele Schaden zufügst! 

 

Du kannst Dein Schicksal verstehen und bejahen, selbst wenn es noch so schwer ist: Leid zeigt Deine eigene Schwäche auf: Dir stößt genau das zu, worunter Du – im Gegensatz zu anderen – noch leidest, woran Du also noch lernen musst.

 

 

2. Leid überwinden durch Selbstvervollkommnung

Michelangelo „David“

 

Was meinst Du, was folgt daraus?

 

„Ich muss an mir selbst arbeiten, um das Leid zu überwinden!“

 

Das ist die entscheidende Erkenntnis! Leid lehrt Dich, das zu suchen und zu heilen, was in Dir selbst noch verletzlich ist. Wenn Dir das gelingt, endet das Leid, weil es dann seine Funktion erfüllt hat!

 

Hier ist ein Merksatz, den Du in Deinem Herzen bewegen und Dir jeden Tag neu vor Augen halten solltest:

 

Eine große, starke Seele leidet nicht so wie ein gesunder Körper nicht schmerzt. (Michelangelo „David“)  

 

„Wie soll ich praktisch beginnen?“

 

Wenn Du das nächste Mal leidest, klage nicht andere Menschen oder die Umstände an! Frage besser Dich selbst: Was ist in Dir selbst noch schwach oder unvollkommen? Worauf will das Leid Dich hinweisen?

 

Suche die Ursache für das Leid bei Dir selbst, nirgendwo anders! 

 

Wir hatten in der Sendung „Übung Unverletzlichkeit“ (Sendereihe „Geistige Übungen“) über einige typische Beispiele für Leiden gesprochen: Der Tod eines geliebten Menschen, Demütigungen, Quälereien, Enttäuschungen, Betrügereien, Missbrauch, falsche Anklagen, der schreckliche Zustand der Welt, die Unwissenheit und Unvollkommenheit der Mitmenschen, Misserfolg und Deine eigenen Schwächen usw.

 

Wir hatten gezeigt, wie Du diese Beeinträchtigungen überwinden kannst, indem Du Dein Denken, Dein Bewusstsein, Deine Haltung änderst. Auf dieselbe Weise kannst Du mit allen anderen Fällen von Leid fertigwerden.

 

 

3. Kein Leid in vollkommener Welt

 

„Diese Welt ist so unvollkommen! Es gibt so unermesslich viel Leid! Warum lässt der liebe Gott das zu?“

 

So klagen viele. Das ist aber falsch. Die richtige Anschauungsweise ist umgekehrt:

 

Diese Welt ist tatsächlich unvollkommen. Es muss noch so lange Leid geben, bis sie in Ordnung gebracht worden ist. 

 

In einer vollkommenen Welt, in der jeder einzelne und alle Menschen insgesamt sich richtig verhalten, in der Wahrheit, Gerechtigkeit, Schönheit, Liebe und die hierarchische Ordnung herrschen, wird Leid nicht benötigt: Es gibt dort keinen Zweck, den es erfüllen müsste.

 

„Bisher habe ich gedacht: Eine heile Welt ist deswegen heil, weil es in ihr kein Leid gibt.“

 

Jetzt musst Du umdenken: Zunächst muss diese Welt heil werden, erst dann, nicht vorher, verschwindet das Leid – denn dann ist es entbehrlich.

 

Wir hatten gerade gesagt: Der einzelne Mensch überwindet sein Leid, indem er sich selbst vervollkommnet. Ebenso können wir die Not und das Elend der Welt nur dadurch besiegen, dass wir auf dieser Erde bessere, dem Höheren Willen entsprechende Verhältnisse schaffen.

 

„Es gibt doch aber gar keine vollkommene Welt!“

 

Richtig. Wir können aber sagen: Je mehr die Welt von der Kosmischen Ordnung abweicht, desto größer ist das Leid, und je mehr sie ihr entspricht, desto weniger wird es.

 

An sich sieht der Kosmos kein Leid vor. Die Göttliche Ordnung ist unsagbar herrlich und schön. Wenn wir in Übereinstimmung mit ihr leben, kann nur Freude herrschen.

 

Die Menschheit wurde nicht zum Unglück erschaffen. (Gem 189) 

 

Leid entsteht, wenn wir aus der Höheren Ordnung herausfallen.

 

Dort, wo der kosmische Rhythmus nicht gestört wird, sind Schmerzen unnötig. (Hier 397)

 

 

4. Leid vom Menschen selbst geschaffen

Pablo Picasso „Guernica“

 

„Was also führt zu Not und Leid der Welt?“

 

Die unvollkommene menschliche Ordnung, die von uns selbst auf der Erde geschaffenen schrecklichen, vom Göttlichen Gesetz abweichenden Verhältnisse: All die Unwahrheit, Ungerechtigkeit, Hässlichkeit und Lieblosigkeit, die jeder einzelne der Milliardenbevölkerung dieses Planeten an jedem einzelnen Tag dutzendfach entweder selbst schafft oder zulässt.

 

Wir Menschen verursachen das Leid, unter dem wir stöhnen, selbst. 

 

Die Große Schöpferkraft sieht keine Notwendigkeit für Leid vor. Die Menschen haben sich mit erschreckendem Eifer selbst in den Kreis des Leides getrieben. Wahrhaftig, jeder Arzt wird bezeugen, dass es ohne das Böse kein Leid gäbe. (FW I, 618)

 

Oft hört ihr einen Aufschrei, ein Stöhnen: „Warum gibt es Aussatz, warum Elend?“ Arme Menschheit, Wir betrachten eure Leiden als eure eigene Ausgeburt. Die Evolution benötigt nicht so viele Hindernisse. Die Leiter des Aufstiegs braucht nicht so viele überflüssige Sprossen. (U I, 4)

 

Die übliche Anklage: „Warum lässt der liebe Gott all das Leid zu?“, ist ganz falsch:

 

Es ist der freie Wille des Menschen, der für das Leid in der Welt verantwortlich ist. 

 

Dieser freie Wille ist eine große Errungenschaft der Evolution. In sein Wirken greift auch Gott nicht ein. Denn nach der Kosmischen Gerechtigkeit müssen wir selbst zu spüren bekommen, was wir anrichten, wenn wir diese große Gabe missbrauchen.

 

„Ich kann doch die Welt, so wie sie nun einmal ist, gar nicht ändern! Trotzdem muss ich leiden?“

 

Tatsächlich bist Du nicht unbedingt immer unmittelbar persönlich für das Leid verantwortlich, das Dir zustößt. Es ist aber nun einmal so: Wenn eine Ordnung verkehrt ist, müssen alle leiden, die in ihr leben.

 

Was geschieht zum Beispiel, wenn das hierarchische Prinzip missachtet wird und ein falscher Führer an der Spitze eines Staates oder eines Wirtschaftsunternehmens steht? Alle Mitglieder dieser Institution müssen seine Fehler in Gestalt von Kriegen, Armut oder Konkursen ausbaden.

 

Deshalb sollte jeder einzelne im eigenen Interesse im Rahmen seiner Möglichkeiten alle Anstrengungen unternehmen, um die Verhältnisse zu verbessern.

 

*****

 

Beenden wir also das würdelose Gejammer, das sich bei jeder kleineren oder größeren Katastrophe allenthalben erhebt! Richten wir unser Leben – sowohl das persönliche als auch das der menschlichen Gesellschaft insgesamt – so ein, dass es der Kosmischen Ordnung entspricht! Nur so können wir das Leid aus der Welt schaffen.

 

Mögen die Menschen nicht klagen, sondern reiner leben! (AUM 5)

 

 

5. Notwendigkeit von Leid in unvollkommener Welt

Nikolaus Roerich „Armageddon“

 

„Was ist also die Funktion von Not und Leid in der Welt?“

 

In einer unvollkommenen Welt ist Leid notwendig und sogar heilsam! Es ist eine quälende Macht, die auf Störungen der Ordnung hinweist. Ohne diese eindringliche Warnung würden wir Menschen gar nicht bemerken, wo wir hinter dem Lauf der Evolution zurückbleiben, wo überall noch Verbesserungen erforderlich sind.

 

Es ist falsch zu meinen, dass Leiden auf der Erde als unerlässliche Pflicht auferlegt wären. Die Vervollkommnung ist auferlegte Pflicht, doch disharmonische Bedingungen können verschiedene Schmerzen verursachen. (Br II, 505) 

 

Eine Notwendigkeit für Leid besteht überall dort, wo es Fehlverhalten, Verstöße gegen das Kosmische Gesetz, gegen den Höheren Willen gibt. 

 

Die Menschheit hat vor allem durch ihre Absonderung vom Höheren Willen gelitten. (Hier 279)

 

Die Menschheit bedürfte normalerweise keiner Schmerzen. Solch ein naturwidriger Zustand ist die Widerspiegelung eines fehlgerichteten Lebens. (Br II, 65)

 

 

6. Leid infolge Unwissenheit

 

Meist, wenn nicht gerade Bosheit im Spiel ist, kommt es aus Unwissenheit zu falschem Verhalten. Weil sie die Höhere Ordnung nicht kennen, wissen die meisten Menschen gar nicht, dass sie gegen Kosmisches Gesetz verstoßen. Man kann daher nicht deutlich genug sagen:

 

Die Quelle allen Leidens ist Unwissenheit. (HR I/2, 68; Brief vom 17.04.1934)

 

Endet die Unwissenheit, endet das Leid. 

 

Das gesamte menschliche Leid ist die Folge von Unwissenheit. Wissen – Wir sagen es eindringlich – wird dem Leid der Menschheit ein Ende bereiten. (U II, 828 [428]) 

 

Nur wenn wir im Besitz des nötigen Wissens sind, können der Einzelne und die Menschheit insgesamt die Fehler abstellen, die das Leid verursachen.

 

Nicht Leiden sind nötig, sondern Befreiung. (AY 527) 

 

Ohne Dummheit wäre die Erde ein Paradies. (Br I, 316)

 

„Was also ist mein wichtigster Beitrag, um das Leid der Welt zu bekämpfen?“

 

Eigne Dir Höheres Wissen an. Überwinde damit zunächst Dein eigenes Leid. Verbreite dann dieses Wissen und hilf damit auch Deinen Mitmenschen, ihre Not zu besiegen!

 

Nichts sollte einen davon abhalten, sein Wissen zu teilen und das Wachstum des Bewusstseins zu fördern. Darin besteht die Liebe zu seinem Nächsten. (FW I, 617)

 

Wir sehen erneut: Geistige Hilfe ist die wichtigste und effektivste!

 

Geistige Hilfe ist am stärksten. (BGM I, 359 [422])

 

Die wahre Gabe erfolgt mit dem Geist. Möge jedes Herz Ströme von Gaben des Geistes ausgießen. Nicht ohne Grund sagt man, dass jeder Herzschlag ein Lächeln, eine Träne und ein Goldstück ist. (Herz 386)

 

Jeder Geschäftsmann kann dazu beitragen, physische Schmerzen mit materiellen Mitteln zu bekämpfen. Seelische Leiden aber können nur die Wissenden lindern!

 

Wissen geht über alles. Wer einen Beitrag zum Wissen leistet, ist ein Wohltäter der Menschheit. (AUM 440)

 

Nur wenige sind in der Lage, dem Volk zu Erkenntnis zu verhelfen. (Br II, 174)

 

Verbreite nur Freude um Dich herum, wird das immer richtig sein!

 

Wenn ihr Freude lehrt, geht ihr nicht fehl. (BGM I, 220 [251])

 

 

7. Impuls für Weiterentwicklung

 

Neben dem Hinweis auf Fehlverhalten hat Leid noch eine weitere Funktion: Es gibt uns einen Anstoß, um uns dem Plan der Evolution entsprechend weiterzuentwickeln, überholte Anschauungen, Gewohnheiten und Lebensformen abzustoßen.

 

Eine der zentralen Aussagen des Agni Yoga lautet:

 

Die Menschen leiden, um aufzusteigen. (Br I, 331)

 

Ähnlich sagt die Bibel:

 

Denn wen der Herr lieb hat, den züchtigt er, auf dass wir an seiner Heiligkeit Teil erlangen. (Hebr 12, 6, 10)

 

Leid läutert. Es drängt uns, diejenigen schlechten Eigenschaften abzulegen, die den Schmerz verursacht haben, und bessere zu erwerben.

 

Geistig überwundenes Leid veredelt uns, das zeigt das wundervolle Antlitz von Michelangelos Pietà im Petersdom in Rom.

 

Jedes Wachstum des Geistes bedarf belastender Umstände. Eine alte Legende besagt, dass durch menschliche Leiden Edelsteine geschaffen werden. (Hier 38) 

 

„Wieder muss ich also meine Einstellung ändern?“

 

Ja! Sieh Leid als einen Impuls an, der Dich antreibt, den nächsten Schritt auf der Leiter des geistigen Aufstiegs zu tun! Dann holt es das Beste aus Dir heraus!

 

Wie jedes Sandkorn, jedes Blatt am Baum, jeder Sinn und jedes körperliche Glied sich durch Anstrengung und Überwindung von Widerstand entfaltet hat, und vermöge all der Lebensäußerungen, die zur Überwindung zwingen, so kann sich auch das Beste im Menschen nur durch Leid entwickeln. (ALH I, 148)

 

Analysiere Dein eigenes Leben! Was stellst Du fest: Worauf beruhen die wichtigsten Erkenntnisse und Fortschritte, die Du erzielt hast?

 

„Ich habe tatsächlich aus Leid gelernt!“

 

Ihr werdet allmählich überzeugt, dass die Menschen der Erkenntnis zugänglich sind. Diese Evolutionsstufe ist kein Zufall. Viele Erschütterungen und Bestürzung haben die Herzen schaudern und erklingen lassen. Wahrlich, um in den Herrlichen Garten einzugehen, bedarf es einer schweren Last. (Br I, 299)

 

Jene, die behaupten, geistiges Wachstum könne ohne Leiden erreicht werden, sagen die Unwahrheit. (HR I/3, 54; Brief vom 07.03.1935)

 

Wenn ein Schüler nach langem harten Kampf einen bestimmten Grad der Großen Weißen Loge erreicht hat und auf den Pfad, den er gegangen ist, zurückblicken kann, wird er vielleicht bemerken, dass, bildlich gesprochen, der eisige Hauch auf seiner nackten Haut, die brennende Hitze der Sonne, die schweren Schläge auf den ungeschützten Körper, die Dolchstiche der Feinde und alles andere Unglück, das ihn zu überwältigen drohte, ebenso viele nötige Prüfungen seiner Kraft des Ertragens, seiner Lebensenergie und seiner Fähigkeit waren, sich angesichts aller störenden Umstände im Gleichgewicht zu halten, und dass dies alles zur Entfaltung seiner geistigen Natur wesentlich beigetragen hat. (TL IV, 153) 

 

Leider steht es mit den Menschen so: Die meisten würden sich ohne Leid überhaupt nicht vorwärtsbewegen.

 

Die edelste Art, Erkenntnis zu gewinnen, ist die durch Nachdenken und Überlegung, die einfachste die durch Nachahmung und die bitterste die durch Erfahrung. (Buddha)  

 

Wer nicht freiwillig lernt, Verstöße gegen die Göttliche Ordnung zu unterlassen; wer sich nicht bemühen will, die Eigenschaften abzulegen, die der weiteren Evolution entgegenstehen, und diejenigen zu erwerben, die für die Bewältigung der Zukunft notwendig sind – der muss dazu durch schieres Leid gezwungen werden.

 

Nicht so sehr Scham als Leid wird zwingen, Rettung zu suchen. (FW I, 508) 

 

Vor allem Bosheit und Egoismus rufen viel Leid hervor. Diese Menschen können oder wollen nicht anders lernen. Sie verdienen eigentlich unser Mitleid, denn sie werden noch viel leiden müssen.

 

Jene, die sich vom Geist abwandten, müssen Unglück erdulden, denn wie sonst könnten sie zur Umkehr gelangen? Darin besteht der Sinn der großen Ereignisse. (AY 14)

 

Solange die Selbstsucht besteht, ist auch der Schmerz notwendig. Verbannt die Selbstsucht, und die Ursachen und Wirkungen des Schmerzes müssen ihr folgen; denn Selbstsucht lebt und gedeiht durch befriedigte persönliche Wünsche. (TL II, 47) 

 

Daher sagt der Volksmund so richtig:

 

Wer nicht hören will, muss fühlen. (Oskar Pletsch „Wer nicht hören will, muss fühlen“)  

 

Du handele klüger! Vermeide Leid, indem Du Dich freiwillig reinigst und immer weiter vervollkommnest.

 

Nicht aus Furcht vor irgendeiner Strafe, sondern in Voraussicht des eigenen Schicksals sollten die Menschen sich der Läuterung zuwenden. Nicht Härte, sondern Gerechtigkeit ist das Maß, mit dem ein jeder sich selbst zumisst. (FW I, 578)

 

Es stellt eine hässliche Situation dar, wenn ein Mensch allein im Unglück eine Verfeinerung seiner Gefühle zu erreichen vermag. Dereinst werden die Menschen sich wundern, dass sie sich infolge von Nöten verfeinert haben, wobei sie aber viele Möglichkeiten zu einer Erhöhung des Bewusstseins verstreichen ließen. Stammt der Mensch etwa vom Stein ab, da es für das Entzünden des Funkens in ihm eines harten Schlages bedarf? (Br II, 339)

 

Wenn wir den Mahatmas nachfolgen wollen, müssen wir wie Sie durch alles Leid dieser Welt hindurchgehen. Nur wenn wir diese Erfahrung am eigenen Leib gemacht und uns über sie erhoben haben, können wir all denen helfen, die noch in Kummer und Sorgen verstrickt sind.

 

Wie könnte das Herz die ganze Schönheit des Daseins erkennen, wenn es nicht in alle Freuden und Leiden des Lebens eingedrungen wäre? So geschieht es beim Lesen des Buches des Lebens oft, dass das Herz erbebt, doch dann verwandelt sich die Träne des Leids in eine Perle. Je feuriger das Herz, desto größer sind die Freuden und die Leiden. (FW III, 208)

 

Wir wollen also in Geduld am Leiden Christi teilnehmen, damit wir auch verdienen, Anteil zu haben an der Herrlichkeit seines Reiches. (Regel des hl. Benedikt, Vorwort)  

 

 

8. Leid und Gesetz der Entsprechung

 

„Warum gerade ich?“

 

So jammern viele Menschen, die nicht verstehen können, warum sie leiden müssen. Sie klagen damit aber Gott selbst an und zweifeln an der Sinnhaftigkeit der Kosmischen Ordnung. So mancher verliert sogar seinen Glauben aus lauter Verzweiflung über all das Leid, das er mit anschauen oder selbst erdulden muss.

 

Schreit ein Mensch auf „Warum?“, denkt er weder an die Vergangenheit noch an die Zukunft. Er wendet sich ab von den Höheren Kräften, als klagte er Sie an. (AUM 288)

 

Das darf nicht sein! Du darfst das kindliche Vertrauen in die Schönheit und Gerechtigkeit der Schöpfung niemals verlieren! Deshalb ist es so unendlich wichtig, dass Du verstehst, welcher Sinn dahintersteht, wenn Dir oder Deinen Mitmenschen Leid zustößt.

 

*****

 

Wir hatten schon über das Gesetz der Entsprechung gesprochen. (Siehe die entsprechende Sendung der Sendereihe „Einführung in Agni Yoga“). Es besagt: Du ziehst genau diejenigen Erfahrungen an, die notwendig sind, damit Du Dich weiterentwickeln kannst. Auch dafür solltest Du eigentlich dankbar sein!

 

Einsame, müde Lastenträger, zukünftige Erlöser von Menschen und Welten – versucht zu erkennen, dass ihr ohne Hunger und Durst, ohne Müdigkeit und Schmerz niemals die Fülle der ewigen Liebe erkennen würdet, niemals das Wasser aus den Brunnen der ewigen Wahrheit schmecken könntet oder die gesegnete Freude und den Frieden erfahren würdet, welche rechtschaffenes Mühen und geduldiges Ertragen des Leides mit sich bringen. (TL I, 27) 

 

„Also ist Leid eine Hilfe?“

 

Leid ist ein Wegweiser!

 

Wenn Du ihm folgst, findest Du den kürzesten Weg zu den notwendigen Verbesserungen der Lebensverhältnisse. Das Unglück, in dem Du gerade befangen bist, ist nichts anderes als die nächste Stufe der Leiter des Aufstiegs. Wenn Du sie erklommen und das Leid überwunden hast, stehst Du höher, größer und stärker da als zuvor.

 

Die Leiden des Geistes offenbaren die einzige Leiter des kürzesten Weges. (BGM I, 206 [232])

 

Jedes Leid ist schon ein Fortschritt. (AUM 295)

 

 

9. Leid und Karma

Otto Dix „Der Krieg“

 

„Ist nicht auch Karma eine Ursache für Leid?“

 

Ja, oft muss Karma eine notwendige Entwicklung erzwingen, der sich die Menschen beharrlich verschließen.

 

Vielfach wird ein Geist nur von Karma gelenkt, das heißt, dass das Wissen des Geistes gering ist. Dann stellt Karma die einzige Möglichkeit der Evolution dar. (BGM II, 255 [258])

 

Vor allem müssen wir am eigenen Leib die Wirkung von Verstößen gegen den Höheren Willen erfahren, die wir in dieser oder in früheren Inkarnationen selbst begangen haben. So erklärt sich viel von dem Leid, das wir jeden Tag sehen und erdulden.

 

Es gab eine Zeit, da hätte viel von dem bösen Karma, das die Menschheit jetzt abträgt, durch andere Mittel gesühnt werden können als jene, welche die gegenwärtige Weltkrise herbeigeführt haben. Die Menschen aber wollten den Weisungen nicht folgen, den flehenden Bitten der Initiierten und Propheten der Großen Weißen Loge, wie diese sie die vergangenen Jahrhunderte hindurch immer wieder aussprachen. So blieb dem karmischen Gesetz keine andere Alternative als die, welche im gegenwärtigen, weltweiten Kampf [1. Weltkrieg] ihren Höhepunkt erreicht hat. (TL IV, 188) 

 

Das betrifft nicht nur die Menschheit insgesamt, sondern auch jeden einzelnen von uns. Ein Sinn des Leidens ist auch: Karma ermöglicht uns, alte Schulden zu tilgen, Verletzungen der Kosmischen Ordnung zu heilen, die wir selbst verursacht haben. Auch dafür wird ein reifer Geist dankbar sein: Oder willst Du etwa dem Universum etwas schuldig bleiben?

 

*****

 

Die heutigen Kirchen verbreiten weltweit Aberglauben, wenn sie behaupten, unsere Sünden würden durch den Tod Christi am Kreuz oder ein Bad im Ganges abgewaschen. Das ist eine Lehre für Schwächlinge und Dünnbrettbohrer, die sich scheuen, für das, was sie angerichtet haben, die Verantwortung zu übernehmen.

 

Der Neue Mensch denkt anders: Er will keine Vergebung seiner Sünden. Er bittet darum, Unheil wiedergutmachen zu dürfen, das er verschuldet hat. Er freut sich, wenn ihm die Gelegenheit dazu geboten wird.

 

Ein als Sklave verkaufter weiser Philosoph [Platon] erklärte: „Danke, offensichtlich kann ich einige alte Schulden begleichen.“ Ein Kaiser, genannt der Goldene [Akbar der Große], rief entsetzt aus: „Luxus verfolgt mich, wann werde ich meine Schulden begleichen können?“ So dachten weise Männer daran, ihre Schulden schnellstens zu begleichen. Sie erkannten, dass frühere Leben sicherlich nicht verstreichen konnten, ohne sich Schulden aufzuladen. Ein Mensch mit großem Einkommen muss sich beeilen, sein Konto auszugleichen. (Br I, 273)

 

Es ist besser, sich durch Leid zu reinigen, als befleckt zu bleiben. 

 

„Ich bin mir aber gar keiner Schuld bewusst, und trotzdem muss ich leiden?“

 

Bedenke: Es gibt nicht nur persönliches, sondern auch Familien-, Gruppen-, Volks- und Planeten-Karma. Das Leid, das jemanden gerechterweise heimsucht, ist also nicht immer durch unmittelbare persönliche Schuld verursacht worden. Es kann auch auf Deiner vielfachen, unvermeidlichen mittelbaren Verstrickung in all das Geschehen beruhen, das um Dich herum vor sich geht.

 

Du machst Dich im karmischen Sinne allein schon dadurch mitschuldig, dass Du Steuern zahlst. Oder dadurch, dass Du etwas nicht verhinderst, was nicht hätte geschehen dürfen (z.B. Tierquälerei in der Massenhaltung).

 

„Und was ist mit den vielen unschuldigen Kindern?“

 

Sei gewiss: Es gibt keine „unschuldigen Kinder“! Vertraue darauf: Es herrscht Gerechtigkeit im Universum. Es gibt keine Wirkung ohne Ursache. Wir Menschen können den Grund für ein Leid nur nicht immer erkennen. Besonders, wenn er in einer vergangenen Inkarnation liegt, können wir ihn an der Art des Leidens allenfalls erahnen.

 

Zu den Einzelheiten siehe unsere Sendung „Karma – das Gesetz von Ursache, Wirkung und Verantwortung“ (Sendereihe „Einführung in Agni Yoga“).

 

 

10. Leid in Freude verwandeln

 

„Wenn Leid von der Kosmischen Ordnung an sich gar nicht vorgesehen ist, wie kann ich es dann in Freude verwandeln?“

 

Wir hatten schon gesehen (Sendung „Übung Unverletzlichkeit“): Leid ist kein objektiver Zustand. Nicht die äußeren Umstände lassen Dich leiden, sondern Deine eigenen Gedanken und Gefühle. Unter demselben Missgeschick leidet der eine noch, während der andere sich schon freuen kann.

 

Leid ist ein Zustand des Bewusstseins. 

 

Um Leid in Freude zu verwandeln, musst Du also „nur“ Dein Bewusstsein ändern und die richtige geistige Haltung einnehmen.

 

„Was für ein Bewusstsein muss ich dafür bilden?“

 

Wie wir am Anfang schon gesagt hatten: Du musst die Gesetze des Daseins, die Kosmische Ordnung, Karma, Wiedergeburt und Unsterblichkeit, die ununterbrochene Fortdauer des Lebens sowie den Sinn des Lebens und den Nutzen von Hindernissen kennen. Nur auf dieser Grundlage kannst Du gut, schön und groß denken. Und wenn Du richtig denkst, brauchst Du nicht zu leiden, sondern kannst Dich immer freuen!

 

Wer schön denkt, wird nicht leiden! (Br I, 160)

 

„Wie meinst Du das konkret?“

 

Durch dieses Wissen erkennst Du: Leid hilft Dir, Dein Lebensziel zu erreichen, den Sinn Deines Lebens zu verwirklichen, der ja lautet:

 

Vervollkommne Dich unbegrenzt! Der Sinn des Lebens ist: größer werden. Der Sinn des Leidens ist: größer werden.

 

Auf dieser Grundlage ändert sich Deine Einstellung: Das, was Deine vergängliche Persönlichkeit als Leid ansieht, ist für Deine Ewige Individualität ein Nutzen – also etwas, worüber sie sich freuen kann.

 

Ist es nicht besser, um der Möglichkeit des Fortschritts willen viel zu leiden? (Br I, 78)

 

Was halten wir fest?

 

„Ich bin dem Leid dankbar, weil es mir ermöglicht, zu wachsen!“

 

Ja; wie Christus am Kreuz oder Platon in der Sklaverei spürst Du die Verletzung sehr wohl. Weil Du aber den geistigen Aufstieg liebst, freust Du Dich über den Gewinn, den Du aus dem Leid ziehen kannst – und so überwindest Du es.

 

Durch das wahre Feuer der Liebe verwandeln sich diese Leiden in Freude, in einen neuen geistigen Aufstieg. (HR I/3, 54; Brief vom 07.03.1935)

 

Warum also ist die Kosmische Ordnung so herrlich, die Welt trotz aller Leiden an jedem neuen Tag ein Paradies?

 

„Weil sie mir so viele beste Möglichkeiten bietet, um größer zu werden!“

 

Merke Dir diese Weisheit:

 

Wie andere Menschen dich behandeln, ist ihr Karma; wie du darauf reagierst, ist deines. (Wayne Dyer)  

 

„Ein schönes Bild. Ich muss die Oberfläche meines Bewusstseins ruhig und glatt halten, was immer sich darauf widerspiegelt.“

 

Bei ruhiger Oberfläche gibt es eine klare Widerspiegelung. Jede Erregung entstellt die Klarheit. Ebenso benötigt die psychische Energie Ruhe, um die Wahrheit widerzuspiegeln. Die Menschen sprechen viel von der Ruhe der Weisen. Diese ist jedoch eine gewaltige Anspannung; so gewaltig, dass die Energieoberfläche spiegelglatt wird. (Br I, 132)

 

Mensch, wenn du in einem Brunnen ein klares Bild sehen willst, so warte, bis die Oberfläche sich beruhigt hat. Ruhe ist das Gewand der Weisheit. (Br II, 690)

 

Das bedeutet in unserem Zusammenhang: Du allein und niemand sonst ist verantwortlich, wenn Du in Dir das Gefühl von Leid zulässt. Das Verhalten der anderen kannst Du nicht beherrschen. Dagegen steht allein in Deiner Macht, ob Du darauf beleidigt, gekränkt, verletzt, gereizt, verärgert oder gar aggressiv reagierst – und damit Deine eigene Aura entstellst! – oder ob Du  stets gelassen, liebevoll, dankbar und sogar freudig auftrittst.

 

*****

 

Wenn Du leidest, ist das ein Beweis für falsches Denken, eine unrichtige Einstellung, eine Schwäche oder eine Krankheit Deines Höheren Selbst. Wenn Du Dich dagegen freust, wie immer die äußeren Verhältnisse beschaffen sind, offenbarst Du damit die Größe und Stärke Deiner Seele.

 

Das Zeichen für Gesundheit des Geistes ist: Lebensfreude! (Nikolaus Roerich „Krischna“)

 

Freude ist die Gesundheit des Geistes. (FW I, 298) 

 

Das anfangs erwähnte Zitat, nach dem mit der Unwissenheit auch das Leid der Welt endet, hat noch eine weitere Bedeutung, wenn wir es auf den einzelnen Menschen beziehen:

 

Ein Wissender leidet nicht. 

 

Denn er kennt die Ordnung des Daseins, und deshalb denkt er richtig.

 

„Wie soll ich praktisch vorgehen?“

 

Wenn Du das nächste Mal leidest, frage Dich: Warum leidest Du noch, anstatt Dich schon zu freuen? Wo denkst Du falsch? Welche unrichtige Haltung nimmst Du ein? Wo liegt der Nutzen gerade dieses Leides für Deinen Aufstieg? Auf welche geistige Grundlage kannst Du Dich stellen, um zurück zur Lebensfreude zu finden?

 

Das ist der Pfad des Agni Yoga: Mit der richtigen Einstellung den Verhältnissen gegenüber, mit der Macht Deines Geistes verwandelst Du die Dornen an Deinem Weg in Rosen.

 

Der Pfad des Herzens und der Hingabe ist leicht und schnell, er verwandelt alle Dornen in einen blühenden Garten. (HR I/3, 54) 

 

Wir sehen erneut die große Bedeutung der Beherrschung Deiner Gedanken und Gefühle: Leid oder Freude entstehen je nachdem, ob Du Dich von den Umständen zu falschem Denken oder Fühlen hinreißen lässt oder unerschütterlich bei der Haltung bleibst, die Deinem Höheren Wesen entspricht.

 

Wir werden über die Übung der Überwachung und Lenkung Deiner Gedanken und Gefühle in einer der folgenden Sendungen noch ausführlich sprechen.

 

Die Verwandlung von Leid in Freude ist ein Sieg des Geistes über die Umstände.  

 

Freude liegt im Triumph des Geistes. (Herz 71)

 

Dadurch erreichst Du eine wahrhafte Verklärung Deines alltäglichen irdischen Lebens: Ohne dass sich die materiellen Umstände in irgendeiner Weise ändern, lebst Du aufgrund einer neuen geistigen Haltung in der höchsten denkbaren Welt, in einem Paradies. Du überwindest das Leid und schaffst tatsächlich:

 

Eine neue Welt, in der es kein Leid mehr gibt.  

 

Überall ist aufgezeigt, dass Leid die beste Läuterung ist und den Pfad verkürzt. Auf diese Weise erhebt einen die feurige Verklärung sogar auf Erden über das Leid. Man sollte dem Leid nicht ausweichen, denn ohne Leid gibt es keine irdische Heldentat. (FW I, 618)

 

Die Grundlage für jede höhere Freude ist Leid. „Leid geht der Freude voraus“, so wollen wir es uns merken. (HR I/1, 57; Brief vom 24.06.1930)

 

Wenn Du ausgelernt hast, bist Du zu einer wahrhaft unverletzlichen Großen Seele geworden. Dann leidest Du nicht mehr, wie immer die Zustände beschaffen sein mögen, in die es Dich verschlagen hat.